Geduld ist eine Tugend

so lautet eine Redensart, die uns bis heute bekannt ist. Seit jeher versuchen sich Menschen in Geduld zu üben. Der eine hat einen ewig langen Faden, der andere bloß ein kurzes Stümpel bevor er explodiert. Doch momentan ist mir, hauptsächlich in meinem Arbeitsalltag, aufgefallen, dass Geduld beim Menschen kaum noch vorhanden ist. Eigentlich läuft gefühlt jeder 2. wie eine tickende Zeitbombe durch die Gegend, fast schon auf der Suche nach einem Grund zum explodieren. Auf dieses Thema will ich hier nun eigentlich gar nicht weiter eingehen, jedoch will ich dieses koppeln, mit einem Thema was mich sehr beschäftigt: Die Vergesellschaftung von Tieren. Nicht eine klassische Herangehensweise, sondern ein Aufruf an die Menschheit!

Positives Vornweg: Ich absolviere ja momentan mein letztes Ausbildungsjahr zum Tierpfleger, ich bin ab und an wirklich überrascht, wie "viele" Leute sich doch noch finden  ein Tier aus dem Tierschutz zu holen. Natürlich freue ich mich als Tierpflegerin über die zahlreichen Leute, welche sich für eines der Schützlinge entscheiden wollen. Doch die Vorfreude hält sich oft in Grenzen, wenn man ein Gespräch beginnt.

(Ich verwende in den Beispielen den Hund, es kann allerdings genauso für jedes andere Tier ablaufen.)

1. Grund mangelnder Geduld - Es muss alles JETZT sofort sein

Zugegeben auch in diesem Punkt muss ich mich selbst immer wieder zügeln. Es ist das entfachte Feuer welches entsteht, wenn man sich vor Vorfreude kaum retten kann. Doch ich schaffe es mich zu zügeln, mir in den Kopf zu rufen STOP! und dann in aller Ruhe nochmal genau darüber nachzudenken.

Viele Leute kommen an und wollten nur mal schauen was so da ist. Verlieben sich in einen Schützling oder natürlich in mehrere, denn die schauen ja alle so traurig und dann geht das hitzige Getuschel los. "Aber der würde viel besser zu uns passen." "Nein, der gefällt mir nicht so." "Aber schau doch mal und guck mal da! Aaawww!"

Ja..so in etwa kann man sich einige Gespräche zwischen 2 beteiligten Personen vorstellen. Dann kommen wir dazu, da die Entscheidung zwischen 2 Hunden steht.

Wir begrüßen die Leute und schauen, welche Hunde denn ins Auge gefallen sind. Der eine ist schwierig zu händeln, benötigt eine konsequente Führung, der andere sitzt verschreckt in der Ecke und will sich am liebsten in Luft auflösen. Da rattern bei mir zum ersten mal die Fragezeichen, wieso die Wahl auf 2 komplett verschiedene Typen Hunden gefallen ist. Beschreibungen zu den Hunden liegen direkt vor Ort parat.

Nun lasse ich die Wahl eben so erstmal stehen und frage ob denn Erfahrungen mit solchen Hunden schon vorhanden sei. "Nein, wieso? Es wäre unser erster Hund. Können wir ihn mal näher kennenlernen oder eine Runde spazieren gehen?" BAAM mit der Tür ins Haus gefallen. Nun habe ich die Aufgabe herauszufiltern ob irgendeiner der Hunde vllt. doch passen würde. Die nächsten Antworten sind auch klassisch. > Da gehen wir jetzt Gassi und dann könnten wir ihn auch gleich mitnehmen oder?<

Versteht mich bitte nicht falsch. Der Elan ist eine feine Sache, aber denken diese Leute dann noch weiter? Sie sind gekommen, ohne feste Vorstellung des neuen Familienmitglieds, haben sich verliebt und JETZT soll die Entscheidung schon gefallen sein? Und natürlich muss alles ohne Vorbereitung direkt laufen.

Das sind die Momente wo wir die Leute in ihrem Redefluss lassen, warten bis dieser beendet ist und dann erstmal in alle Ruhe erklären, wie das hier alles abläuft, wie der Hund drauf ist, was man beachten sollte und und und...Die nächste Antwort lautet dann entweder: >Oh< oder >Können wir ihn näher kennenlernen?<

So viel zu JETZT SOFORT.

2. Grund - Alles muss perfekt laufen

Nun die Entscheidung ist gefallen. Hund ist nach einer Kennlernphase umgezogen. Einen Tag später der Anruf: >Er macht ins Haus, er zieht an der Leine, er hat die Wand zerlegt< Auf den Rat sich einen Trainer dazu zu holen, wehren sich einen Teil der Leute. Zack - Hund hatte einen netten Ausflug in einer anderen Umgebung bei einer anderen Familie und darf nun zurück in den Tierheim-Alltag. WOW!

Variante 2

Der erste Schützling welcher natürlich "geduldig auf seinen neuen Freund wartet", sitzt zu Hause und wartet auf Herrchen und Frauchen. Der Schlüssel ist im Schloss und Hund Nr.1 kommt schwanzwedelnd zur Tür gelaufen, doch der erste der die Nase durch die Tür steckt ist der Neue. >Schau mal Pluto, dein neuer Freund ist endlich da!< Soweit so gut. Pluto dreht sich ein paar mal und legt sich wieder in sein Körbchen. Ist bestimmt bloß auf Besuch. Der Neue erkundet sein neues Heim und kommt zufällig am Körbchen von Pluto vorbei. Der findet das gar nicht toll und macht dies verständlich. Eine Heidenaufruhr. >Oh Gott er hat ihn angeknurrt!< Ohne über die Situation nachzudenken, wird das Telefon ergriffen und bei uns um Rat gefragt. Person wurde mit weiteren Tipps beruhigt. Eine Nacht ist vergangen und etwa gegen Mittag kommt der Anruf das der Neue zurück muss. > Die 2 verstehen sich nicht!<

Auf erneuten Rat wird nicht mehr gehört, denn es herrscht Stress zu Hause. Also hat der neue wieder seinen gerade erst neu gewonnenen Platz verloren.

Fazit

Einige von euch haben sich wahrscheinlich schon mehrfach an den Kopf gegriffen. Zu Recht! Denn auch mich lassen diese Story´s nicht kalt und jedes mal kommt Wut auf die Geduldlosigkeit der Menschheit auf! Es ist überhaupt kein Wille mehr da, etwas in Ordnung zu biegen. Es muss immer alles JETZT SOFORT und PERFEKT klappen. Fehler sind auf keiner Seite erlaubt und sollte einer doch mal passieren, wird sofort das Handtuch geworfen.

Das ganze muss nicht unbedingt so eine Geschichte aus dem Tierschutz sein! Auch im Tiertraining oder bei alltäglichen Aufgaben, bei dem Versuch etwas neues zu probieren. Überall scheitern wir, aber es liegt doch an uns ob wir wieder aufstehen und weiter machen oder liegen bleiben! Und momentan habe ich das Gefühl, dass für einen Großteil der Menschheit, liegen bleiben die bequemere Variante ist. 

Muss denn immer alles beim ersten Mal klappen? Kann man den Tieren nicht die Zeit geben die sie benötigen, um zu einandern zu finden? Ist es denn so schlimm Fehler zu machen?

 

Ich bin nun zum 2. Mal dabei, Kaninchen miteinander zu vergesellschaften, die erste Vergesellschaftung hat 6 Wochem gedauert! Die jetzige dauert ebenfalls schon etwas mehr als eine Woche an und es ist noch kein Ende in Sicht. Gebe ich deshalb auf? Nein wieso denn? Aus welchem Grund? Ich habe ein Tier aus dem Tierschutz geholt, um ihn ein artgerechtes Leben zu bieten. Aber bis jedes Tier verstanden hat, welche Vorteile der jeweils andere mitbringt dauert es seine Zeit und das ist doch vollkommen in Ordnung!

Auch Lio ist es nicht gewohnt mit einem 2. Hund zusammen zu leben, aber ich nehme ihn oft zum Gassi gehen ins Tierheim mit, somit hat er "engeren" Kontakt zu anderen Hunden, es wird zu Gewohnheit und ist letztendlich gar nicht mehr schlimm. Den Pflegehund hat er einfach ignoriert, er hat dennoch seine Auszeit gemeinsam nur mit mir gehabt.

Ich hoffe der Text hat zum Nachdenken angeregt, denn so wie es momentan läuft, ist es eine Katastrophe und tut Mensch sowie Tier absolut nicht gut! Auch ich bin manchmal etwas energischer im Umgang mit Lio etc. Aber ich versuche darüber nachzudenken, mich in Ruhe und Gelassenheit zu üben und es beim nächsten mal einfach anders anzugehen. So und nun noch ein letzter Appell:

Ich finde Tierschutz fängt allein schon im Geduld üben an. Die Geduld einem Tier entgegen zu bringen, die es momentan eben einfach braucht! Also tut eurem Tier etwas Gutes und übt euch in Geduld!